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Alexander Lernet-Holenia

Carl Zuckmayer

Die Siegel des Dichters, 1967

Wie die meisten Angehörigen dieserJahrgänge, wurde Lernet-Holenia mit dem Tode und dem Sterben in sehr früher Jugend konfrontiert. Noch nicht siebzehnjährig, meldete er sich beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs zu einem österreichischen Kavallerie-Regiment, bei dem er den vierjährigen Feldzug als Offizier mitmachte. Doch löst das Kriegserlebnis bei ihm nicht, wie bei den anderen Autoren seiner Generation, entweder aktivistische Kriegsgegnerschaft, Ächtung des Krieges und seiner sozialen und politischen Ursachen aus, oder aber Glorifizierung des Krieges und damit aktivistischen Nationalismus. Keines von beiden. Alexander betrachtete den Krieg, und die Geschehnisse seiner Zeit überhaupt, wie ein mythisches Schauspiel, an dem er zwar als Lebender teilnehmen muß, von dem er sich aber gleichzeitig als Schreibender distanziert. Dies läßt sich zum Teil damit erklären, daß er Österreicher ist - daß für ihn also mit dem Ausbruch, dem Verlauf und dem Ende dieses, des Ersten Weltkriegs, etwas auseinanderfiel, was ihm als das einzige noch Zusammenhängende erschienen war und worin all seine Lebens- und Wertbegriffe wurzelten. Andererseits damit, daß er, wenigstens zu Beginn des Feldzugs, als Kavallerist noch eine gewisse Schönheit des kriegerischen Vorgangs erlebt hat - soweit es bei einem Schreckensvorgang wie dem des Krieges überhaupt etwas wie Schönheit geben kann -, und es gibt, die großen Maler haben es uns gezeigt, ästhetische Kategorien selbst beim Höllensturz, beim Martyrium, bei der Schlacht. Der Aufzug, die Anordnung und die Entwicklung eines attackierenden Kavallerie-Regiments hinterläßt bei dem, der es überlebt, vermutlich die Erinnerung an eine furchtbar mitreißende Dynamik, an ein schauerlich blendendes Spiel mit dem Tod. So scheint es manchmal, als spiele die Reiterei, auch wo sie aufgerieben und niedergemäht wird, für Lernet eine ähnliche Rolle wie für Ernest Hemingway der Stierkampf: etwas, worüber er immer wieder schreiben muß und das sich in gewissen Sequenzen seines Werkes fast litaneienhaft wiederholt.
Zuckmayer, Carl: Die Siegel des Dichters. In: Alexander Lernet-Holenia. Festschrift zum 70. Geburtstag des Dichters. Wien/ Hamburg: Zsolnay 1967, S. 7-13